Ich gebe es ja zu: Ich bin ein ausgesprochener nicht-Fan von Podiumsdiskussionen in Wahlkämpfen. Der Erkenntnisgewinn ist doch meist eher mau. Aber ich muss mich ein Stück weit selbst revidieren. Die gestrige Veranstaltung der KAS “Endspurt” mit der Diskussion zwischen Dr. Carsten Sieling und Carsten Meyer-Heder war sehr interessant. Gewohnt amüsant moderiert von Axel Brüggemann versprach dieser Auftakt einen spannenden Wahlkampf.
Der Amtsinhaber strauchelt, der Politneuling punktete
Was mich am meisten wunderte war, wie fahrig der Amtsinhaber war. Er wirkte auf mich sehr dünnhäutig. Nach 30 Jahren Berufspolitikerei hätte ich mehr souveränität erwartet. Die gab es erstaunlicherweise aber beim Politneuling Carsten Meyer-Heder. Er machte keinen Hehl darauf, nicht in jedem kleinsten Detail zu stecken – machte aber klar, dass es dafür eben das richtige Team brauche. Meyer-Heder machte auch deutlich, dass er sich mit Krisen auskennt und eben nicht immer vom Erfolg gepudert wurde.
„Ich muss nicht jedes Gesetz kennen, aber ich muss Krisen bewältigen können. Und das kann ich, weil ich ein Unternehmen auch in Krisenjahren geführt habe, ohne Entlassungen“
Carsten Meyer-Heder
Alles in allem war das Rededuell kein Beschnuppern des Gegners, es ging schon direkt zur Sache. Sieling erklärte sich und seine Politik. Er beteuerte, dass der Senat die Probleme jetzt erkannt habe und man diese nun – kurz vor der Wahl – dann auch mal angehen wolle. Aber so richtig kam er nicht aus der Defensive. Als er die Bildungspolitik erklären soll, bekam er von Meyer-Heder noch eine zusätzliche Frage aufgedrückt:
„Seit 73 Jahren ist die SPD an der Regierung, warum glauben sie, dass sie es jetzt verstanden haben“
Meyer-Heder
Bumms, das hatte gesessen. Carsten Meyer-Heder war gut drauf. Im Bildungsbereich setzte er seine Themen: Beitragsfreie KiTa, Nachdenken über Zensuren und Leistungsorientierung. Auf die Publikumsfrage, ob er der Meinung sei, dass man Schulen privatisieren könne, gab er eine klare Antwort: „Bildung kann nicht privatisiert werden, aber ob ein Schulgebäude privat gebaut wird – das schon.”
Wer sich selbst einen Eindruck von dem Rededuell machen will, findet beim Weser Kurier einen Live Blog und einen Bericht, sowie Kommentar. Buten un Binnen war natürlich auch vor Ort.
Kein klarer Sieger – leichter Vorteil für den Herausforderer
Auch wenn Sieling oft schlingerte und angefasst wirkte, so zeigte er, dass er tief in Details steckt und seit Jahrzehnten Politprofi ist. Meyer-Heder war souverän, humorvoll und wirkte entspannt. Als “Neuer” in der Politik ließ er hier und da Detailwissen vermissen. Was aber gar nicht als nachteilig empfunden wurde bei vielen Zuschauern. Denn zugleich betonte er seinen Führungsstil: im Team die Projekte angehen.
Einen klaren Sieger gab es sicherlich nicht bei diesem ersten Duell. Aber wenn man die Erfahrung mit heranzieht, dann würde ich dem Politneuling einen leichten Vorteil gegenüber dem Polit”opa” geben. Also Vorteil Meyer-Heder.